Aus: Financial Times Deutschland, 07.07.2012, 10:00

Urteil der Woche:Im Zweifel zahlt der Chef die Rente

Böse Überraschung: Arbeitgeber müssen einspringen, wenn Pensionskassen die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung kürzen. Das Unternehmen ist gezwungen, die Fehlbeträge auszugleichen. von Christian Hoefs

Der Fall

Der Arbeitgeber hatte seinen Arbeitnehmern eine Betriebsrente zugesagt, die über eine Pensionskasse ausgeführt wurde. Nachdem bei der Kasse Fehlbeträge entstanden waren, machte sie im Jahr 2003 von der in ihrer Satzung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Leistungen an die Rentenempfänger zu reduzieren, um die Defizite wieder auszugleichen. Die Pensionskasse senkte die Betriebsrenten um jeweils 1,4 Prozent in den Jahren 2004 bis 2006 sowie um 1,37 Prozent im Jahr 2007 und 1,34 Prozent im Jahr 2008.

Daraufhin verklagte ein Betriebsrentner seinen früheren Arbeitgeber und verlangte von ihm die Differenz zwischen der ihm ursprünglich zugesicherten monatlichen Rente und dem geringeren, ausgezahlten Betrag. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht bestätigt in seinem Urteil die Einstandspflicht des Arbeitgebers, die sich aus dem Betriebsrentengesetz ergibt. Wird eine Pensionskasse für die betriebliche Altersversorgung eingeschaltet, bedeutet das nicht, dass der Arbeitgeber vollständig von den Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern befreit wird. Vielmehr muss er unbeschränkt für die zugesagten Rentenleistungen einstehen, wenn die Pensionskasse die Rentenleistungen nicht oder nicht vollständig erfüllt. Zwar sah die Satzung der Pensionskasse vor, dass ein Fehlbetrag unter bestimmten Voraussetzungen durch Herabsetzung der Leistungen auszugleichen sei.

Auch die Mitglieder der Pensionskasse hatten diesem Schritt zugestimmt. Jedoch war das in der Satzung vorgesehene Kürzungsrecht zum Ausgleich von Fehlbeträgen nicht wirksam in die Betriebsrentenzusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer einbezogen worden. Die Parteien hatten zwar vereinbart, dass für die Leistung der Betriebsrente die jeweils gültige Satzung der Pensionskasse maßgeblich sein solle. Ein solcher Verweis auf die jeweils aktuelle Satzung gilt jedoch nicht, wenn es um die Kürzung von Leistungen der Pensionskasse geht, entschieden jetzt die Bundesarbeitsrichter.

Die Folgen

Das Urteil ist von großer praktischer Bedeutung. Seit rund 20 Jahren wird die betriebliche Altersversorgung in Deutschland zunehmend auf externe Träger wie Pensions- oder andere Unterstützungskassen ausgelagert. Dies ist in vielen Fällen vorteilhaft für den Arbeitgeber, kann jedoch wie im vorliegenden Fall auch zu bösen Überraschungen führen: Wenn sich der externe Träger zu einem späteren Zeitpunkt nicht als vollständig leistungsfähig herausstellt, muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Ausfallhaftung für die Differenz einspringen. Erkennt der Arbeitgeber zudem, dass der externe Träger zukünftig nicht oder nur eingeschränkt zahlen kann, muss er entsprechende Rückstellungen in seiner Bilanz bilden. Ein bloßer Verweis auf die Satzung in ihrer jeweils gültigen Fassung, die ein Recht zur Leistungskürzung vorsehen, reicht jedenfalls nicht aus, um die Haftung des Arbeitgebers zu vermeiden.

Auch wenn sich das Urteil ausschließlich auf die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse bezieht, so gelten jedoch dieselben Grundsätze auch bei anderen externen Anbietern, also Pensionsfonds, Unterstützungskassen und Direktversicherungen.

Um den Risiken einer Ausfallhaftung vorzubeugen, ist es daher für den Arbeitgeber von zentraler Bedeutung, seinen externen Versorgungsträger mit Blick auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit besonders sorgfältig auszuwählen. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber die finanzielle Situation der Pensionskasse oder der Versicherung regelmäßig überprüfen. Zudem ist es für Arbeitgeber wichtig, bei der Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung die Betriebsrentenzusagen gegenüber den Arbeitnehmern und die Versorgungsregelungen des externen Trägers genau aufeinander abzustimmen. Auf diese Weise können Widersprüche oder Lücken vermieden werden, die zu einer Haftung des Arbeitgebers führen können.

 

 

 

Im Zweifel zahlt der Arbeitgeber